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MIT WENIG ADERN VIEL ERREICHEN

Single Pair Ethernet revolutioniert die Fabrikvernetzung. Es verdrängt Feldbusse und macht den Weg frei für einen schnellen, ungehinderten Fluss von Daten über alle Ebenen der Automatisierungspyramide hinweg.

Single Pair Ethernet (SPE) ist ein Hype-Thema, weil es die Digitalisierung im Produktionsumfeld beschleunigen kann. Hier dominieren nach wie vor Feldbusse (z.B. der Profibus) die aber nur 12 Mbit/s übertragen können und somit für heutige Anforderungen zu langsam sind. Das um die Jahrtausendwende eingeführte Industrial Ethernet wäre zwar schnell genug, doch die Anwender mussten von zwei auf vier Adern gehen, was den Anschlussaufwand verdoppelt hat. Cat. 6 und Cat. 7 brachten die Gigabit-Datenübertragung in die Produktion, aber auch einen nochmals höheren Anschlussaufwand, weil jetzt vier Paare bzw. acht Adern in einer Leitung sind, welche überdies merklich dicker und schwerer sind.

Ein Nebeneinander unzähliger Standards wie bei den Feldbussen wollen die Hersteller vermeiden. Kabel- und Steckerhersteller haben sich im SPE Industrial Partner Network zusammengetan, um die Technologie voranzutreiben und zu standardisieren. So ist SPE bereits international genormt und damit ist die Basis für eine weltweite Verbreitung gelegt. Für die Industriesteckverbinder wurden mehrere Vorschläge in die Norm IEC 63171 eingebracht. Die Mitglieder des Konsortiums betrachten SPE als die Basisinfrastruktur für intelligente Sensoren und Aktoren und die smarte Fabrik der Zukunft.

Vielfältige Anwendungsszenarien

Die Anwendungsmöglichkeiten sind schier unerschöpflich.

In den weitläufigen Anlagen der Chemieindustrie, lassen sich mittels SPE große Entfernungen überbrücken. Für Distanzen bis zu 1.000 m wurden unter dem Begriff APL (Advanced Physical Layer) basierend auf 10BASE-T1L (gem. IEEE 802.3cg) für SPE zusätzliche Eigenschaften für die Prozessindustrie definiert. So ist in APL u.a. die Eigensicherheit berücksichtigt, die sogar den Einsatz in explosionsgefährdeten Bereichen erlaubt.

Interessant ist SPE in öffentlichen Verkehrsmitteln zum Vernetzen von Informationssystemen (z.B. Anzeigen der Haltestellen oder Sitzplatzreservierungen, für Kameras zu Überwachungszwecken oder zur Fahrgastzählung) sowie für das Infotainment und WLAN an Bord.

In batteriegetriebenen Fahrzeugen punktet SPE durch kompakten Aufbau mit geringeren Biegeradien und geringem Gewicht. Eine 100 m lange Leitung mit vier Aderpaaren wiegt ca. 4,6 kg, bei SPE sind es nur ca. 3,0 kg.

In der Gebäudeautomatisierung kann SPE Sensoren vernetzen (z.B. Brandmeldeanlagen, Helligkeits- oder Temperaturfühler) außerdem Systeme zur Zutrittskontrolle, Informationstafeln (z.B. Raumbelegung).

Einsteigen und am Ball bleiben

Die SPE-Technologie entwickelt sich derzeit sehr schnell – es lohnt sich, am Ball zu bleiben. Unternehmen sollten ihre spezifischen Anwendungsfelder identifizieren und die individuellen Anforderungen mit den Anbietern diskutieren. Jetzt werden richtungsweisende Systementscheidungen getroffen und dabei sollten die Fertigungsbetriebe ganz grundsätzlich über neue Netzwerkstrukturen nachdenken; Trunk-Fähigkeit, Power over Dataline oder höhere Leitungslängen sind nur einige Optionen.

Andererseits muss nicht jede Installation einpaarig ausgeführt werden, nur weil es möglich ist. Bei solchen Systementscheidungen muss man immer das gesamte Ethernet-Netzwerk in der Fertigung im Blick haben. In vielen Fällen kann eine vierpaarige Ethernet-Installation weiterhin sinnvoll sein, um Flaschenhälse zu vermeiden. Anwender müssen auch bedenken, dass bei künftigen Anlagenerweiterungen Standard-Ethernet-Geräte weiterhin anschließbar sein müssen.

Die Vorteile von Single Pair Ethernet:

  • Vernetzung mit TCP/IP ohne Systembrüche,
  • jeder Feldteilnehmer ist über IP adressierbar
  • für echtzeitkritische Anwendungen geeignet (TSN)
  • leistungsfähiger Ersatz für proprietärer Feldbus-Systeme
  • Datenübertragung über weite Distanzen (1.000 m)
  • hohe Flexibilität bei der Verkabelung und weniger Switches nötig
  • Stromversorgung von Endgeräten über die gleiche Leitung (PoDL)
  • bessere Nachhaltigkeit (weniger Material, geringeres Gewicht, keine Batterien)
  • effektive Montage (schnelle, leichte und fehlerfreie Installation)
  • hohe Betriebssicherheit

20.06.2022